Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Manche Sachen, die andere Menschen so tun sind mir irgendwie peinlich. Neulich in einer Praxis in Berlin zum Beispiel. Ich sowieso schon genervt, weil ich mir beim Treppe heruntersteigen meinen Fuß derart verletzt habe, dass er einem roten Gummiboot ähnelt. Nicht schön so ein Anblick und schon gar nicht angenehm. Aber niemand musste dieses Bild ertragen, denn mein Fuß war in einem Verband und dann noch in einer Schiene und zuguterletzt auch noch in einem stark gedehnten Turnschuh versteckt. Muss ja auch nicht sein, dass mich jeder beachtet. So war ich einer von vielen Patienten, die anscheinend ähnliche Schicksalsschläge erlitten haben. Tapfer, und mit kühnem Blick warteten wir darauf, dass uns die Ärztin zu sich reinbittet. Plötzlich kracht die Tür zum Warteraum. Herein kommt eine circa 55jährige Dame. Sie knallt sich unüberhörbar auf ihren Warteraum-Thron…äh Stuhl meine ich und beginnt mit ihrer kleinen Show. Geduldig packt sie ein Kosmetikköfferchen aus ihrer geräumigen Handtasche aus. Zuerst beginnt sie ihre Haare zu bearbeiten. Dazu zückt sie einen kleinen Spiegel, zieht ihre Stirn in Falten und versucht sich einen Überblick über die Lage auf ihrem Kopf zu machen. Dann geht’s los! Sie kämmt und bürstet und kämmt und bürstet. Haare okay, dann geht’s weiter mit dem Gesicht. Geduldig fängt sie an sich zu cremen und zu pudern und zu bemalen. Alles einhändig, denn in der anderen Hand hält sie noch immer den kleinen Kontrollspiegel. Nachdem dann auch die Lippen in einem kräftigen Rot leuchten, packt sie wieder ein und lächelt selbstbewusst in die Runde und alle Anwesenden wenden ihren Blick verstört gen Boden. Dann gelingt es ihr plötzlich die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. Man muss auch dazu sagen, dass das Warten in Praxen etwas sehr langwieriges ist und die Zeitschriften, die dort ausliegen schon Jahre alt sind. Was nützt mir ein Spiegel, der ein halbes Jahr alt ist. Ich fühle mich veräppelt, ärgere mich, dass ich mein Buch vergessen habe und starre ab und zu Menschen an. Die blonde Frau kramt plötzlich einen Apfel aus ihrer Tasche. Krachhhhhh…beißt sie laut in das grüne knackige Ding und fängt an zu schmatzen. Als sie schließlich den Apfel unüberhörbar in ihrem Magen entsorgt hat, beginnt sie einen Joghurt auszupacken. Genüsslich leckt sie Löffel für Löffel sauberst ab und studiert parallel die Inhaltsstoffe auf der Plastikverpackung. Endlich ist sie satt und gibt Ruhe. Doch…nein! Ihren Lippenstift- Anstrich hat sie samt Apfel und Joghurt ebenso verschlungen. Kram…Kram…Kram und wieder losgelegt. Zum Glück geht es dieses Mal etwas schneller. Und endlich ruft mich die Ärztin zu sich und ich darf in ihr Zimmer humpeln.
Eines frage ich mich wirklich: Warum gehen diese extrovertierten Leute nicht auf die Toilette für solche Aktionen. Ihnen ist kein Ort zu unpersönlich. Sie tun es im Bus, in der Bahn, im Flieger, in Cafès…Einfach überall, wo sie auf keinen Fall allein sind. Und ich schäme mich dann für sie.
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